Verlustangst überwinden! Was ist sie und wie lassen wir sie ziehen?
Scheidung, der „Tod“ des geliebten Blechs, Kündigung des Jobs, Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz, … Verluste sind ein Teil unseres Lebens – genau wie die Verlustangst. Schon ganz kleine Kinder kennen sie. Doch auch als Erwachsene lenkt sie uns und das mitunter stärker, als uns lieb ist.
Auf einen Blick:
Verlustangst ist normal – aber nicht immer produktiv. Prüfe, wann Du besser nicht auf Dein Magengrummeln hörst
Wenn Du immer behälst, was Du hast, wirst Du nie bekommen, was Du willst. Angst vor Verlust ist nämlich eine effektive Bremse
Frage Dich immer: Ist es den Aufwand wert? Ist das Neue wirklich so schlimm, bedrohlich oder gefährlich? Die Antwort könnte Dich überraschen
Der 1,50-Dollar-Effekt
Was wir haben, ist sicher – zumindest theoretisch. Wir haben es bereits und müssen es nicht mehr erreichen oder erarbeiten. Deshalb tun wir gern alles, um den Status quo zu erhalten. Wird der bedroht, bekommen wir Angst – Verlustangst nämlich. Deshalb steht genau die so oft Veränderungen im Weg. Wie effektiv das System der Verlustangst funktioniert, zeigten die beiden Forscher Kelly Goldsmith von der Kellogg School of Management und Ravi Dhar von der Yale University mit einem recht einfachen Experiment.[1]
Sie versammelten freiwillige Probanden und teilten sie in zwei Gruppen, denen sie dieselben Aufgaben stellten. Gruppe 1 erhielt pro erfolgreich gelöster Aufgabe 25 Cent und konnte sich so insgesamt 1,50 Dollar erarbeiten. Gruppe 2 dagegen erhielt gleich am Anfang 1,50 Dollar, musste dafür aber für jede falsch oder nicht gelöste Aufgabe 25 Cent abgeben.
Anschließend maßen die Forscher die Zeit, die die Probanden pro Aufgabe aufwendeten. Das Ergebnis: Die Gruppe, die Geld verdienen konnte, verbrachte 9,5 Minuten mit den Aufgabe. Gruppe 2, die Geld zu verlieren hatte, wandte dagegen volle 15 Minuten auf. Verlustangst kann also auch ein Motivator sein. Oft genug steht sie uns jedoch im Weg.
Verlustangst überwinden – Die Hürde auf dem Weg zum besseren Selbst
Eine unserer größten Verlustängste ist die, den Job zu verlieren – vielleicht sogar an eine Maschine. Dabei zeigte eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS), dass nicht wie von manchen befürchtet jeder zweite, sondern nur jeder zehnte Job langfristig wegfällt.[2] Unsere Angst: Was, wenn es meinen Job trifft? Und schon kommt die Angst vor Neuerungen und dem Wandel gleich mit im Gepäck. Genau diese Verlustangst ist es, wegen der wir uns mitunter heftig gegen Neuerungen sträuben.
Das Phänomen indes ist nicht neu: Vor rund 200 Jahren waren es die Maschinenstürmer, arme Handweber und Spinner, die in die dank der Industrialisierung neu entstandenen Fabriken eindrangen und dort ihre Konkurrenz – die maschinellen Webstühle – zerstörten. Große Wirtschaftstheoretiker ihrer Zeit wie Karl Marx, John Maynard Keynes oder David Ricardo beschäftigten sich damit – und sahen in der drohenden Arbeitslosigkeit zum Teil ein vorübergehendes Phänomen. Es entstünden neue Jobs, resümierten sie. Und wie man sieht, ist das Ende der Arbeit bisher auch ausgeblieben – sie bekommt nur neue Gesichter.[3]
Ja, wirst Du jetzt vielleicht sagen, aber der Job, den ich habe, den kenne ich und darin bin ich gut. Ich muss ihn nicht mehr suchen oder neue Dinge lernen, von denen ich nicht weiß, ob ich sie lernen kann. Wenn Du Dich bei solchen Gedanken erwischst, dann spricht hier Deine Verlustangst.
Vielleicht ist die Veränderung aber auch die Chance, neue Leidenschaften zu entdecken und ihnen nachzugehen. Ob Du aus Angst vielleicht Chancen verschenkst? Finde es jetzt heraus.
Teste Dich selbst – Der schnelle Test zur Verlustangst:
Wie groß ist Deine Verlustangst? Trennst Du dich nur ungern von Besitztümern oder gewohnten Mustern und Abläufen? Oder fällt es Dir recht leicht, Dich von alten Hüten zu verabschieden? Beantworte Dir die nachfolgenden Fragen ehrlich mit einem Ja oder Nein und finde es heraus.
- Wirst Du nervös oder bekommst Du Magengrummeln, wenn in Deiner Abteilung oder Deinem Unternehmen neue Technologien oder Prozesse eingeführt werden?
- Wenn Du die Wahl hast, etwas Neues zu lernen oder Altbekanntes zu pflegen – bleibst Du dann beim Altbekannten?
- Stell' Dir vor, Du läufst oder radelst jeden Morgen zur Arbeit – oder vielleicht tust Du es tatsächlich. Nimmst Du jeden Morgen denselben Weg, auch wenn Du verschiedene Wege zur Auswahl hast?
- Deine aktuelle Wohnung ist ganz gemütlich, aber nicht Dein Traum. Du würdest lieber im Grünen wohnen. Du findest eine fantastische Traumwohnung am Waldrand, kennst im Dorf aber niemanden und es wäre recht weit weg von Deinen Freunden? Bleibst Du dann in der doch eigentlich ungeliebten Wohnung?
- Dein Partner hat seit neuestem ein supermodernes Smartphone. Du liebst Deinen „alten Knochen“. Erteilst Du dem schicken, neuen Teil eine Absage?
- Du bekommst eine attraktive Stelle angeboten, die einige Veränderungen mit sich bringt, musst Dich aber innerhalb von 2 Tagen entscheiden, ob Du sie antrittst. Sagst Du das kurzfristige Angebot ab?
- Du gewinnst im Lotto – keine Million, aber ein schickes Sümmchen und fragst Freunde, wie Du es am besten vermehrst. Einer rät Dir, an der Börse zu spekulieren, der andere rät zu niedriger, aber sicherer Rendite weniger ertragreicher Anlagen. Gibst Du Dich mit dem sicheren Zuwachs zufrieden?
- Thema Haushaltsfinanzen: Bist Du der Typ, der seine Ausgaben immer 100% im Blick haben muss?
- Dein Auto hat Dir immer gute Dienste geleistet. Jetzt bekommt es leider erste Alterserscheinungen. Bist Du der Typ, der es lieber reparieren lässt bis gar nichts mehr geht, weil man beim neuen Blech nie weiß, was man kriegt?
- Alle Freunde schwärmen von den neuen E-Bikes und in Ihrer Region sind diese Bikes tatsächlich praktisch. Bleibst Du trotzdem lieber bei Deinem Drahtesel mit reinem Pedalantrieb?
Hier kommt die Auflösung. So steht es um Dich und Deine Verlustangst:
7-10 mal Ja
Dein Motto ist: Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. Was Du hast, ist sicher und wer weiß, ob das Neue nicht sowieso vor den Baum geht. In der Studie der amerikanischen Wissenschaftler hättest Du wahrscheinlich noch länger als 15 Minuten geknobelt.
Damit musst Du nicht unbedingt schlecht fahren. Aber so manche große Chance zieht dadurch ungenutzt an Dir vorbei. Habe Mut und lass' den Spatzen ruhig das eine oder andere Mal fliegen.
4-6 mal Ja
Ab und zu stehst Du Dir selbst auf den Füßen, weil Du Altbekanntes eben doch nicht eintauschen willst, obwohl Deine innere Stimme es durchaus für sinnvoll hielte. Höre ruhig öfter auf diese Stimme und betrachte Deine Bedenken einmal ganz rational. Was kann schlimmstenfalls passieren? Wie wahrscheinlich ist der schlimmste Fall wirklich? Vermutlich spricht nämlich nur Deine Verlustangst gegen den nächsten Schritt.
0-3 mal Ja
Verlustangst? Was ist das? Du betrachtest Bedenken rational und schiebst das Magengrummeln ins Abseits, wenn es dort hingehört. Das macht Dich zum natürlichen Gewinner in Zeiten des Wandels, denn Du tust Dich leicht mit neuen Wegen. Ihre Vision vom besseren Morgen treibt Dich deutlich mehr an als die Angst vor dem Verlust der Sicherheit des vertrauten Heute.
Quellennachweis